Audio-CD / Vinyl / Download Brahms Doppelkonzert & Clara Schumann Klaviertrio

Ein Gespräch mit Anne-Sophie Mutter und Pablo Ferrández

Ein Gespräch mit Anne-Sophie Mutter und Pablo Ferrández

Wenn er sich an seine erste Begegnung mit Anne-Sophie Mutter erinnert, lächelt Pablo Ferrández. »Das war vor ungefähr neun Jahren«, sagt er. »Ich reiste nach München und bat sie, ihr einmal vorspielen zu dürfen. Ich wählte Dvořák, und sie gab mir wertvolle Hinweise bezüglich Vibrato und Bogenarm. Wundervoll! Ein paar Monate später fragte sie mich, ob ich mit ihr auf Tournee gehen wolle, und später ergab sich die Gelegenheit, gemeinsam das Brahms-Doppelkonzert in Madrid aufzuführen. Ich komme von dort, also war das für mich ein besonderer Glücksfall. Ich war ganz aus dem Häuschen!«

Anne-Sophie Mutter fährt fort: »Wir haben das Brahms-Doppelkonzert noch einmal gespielt, diesmal in Oxford, und ich habe das künstlerisch als einen sehr persönlichen musikalischen Dialog empfunden, stets inspirierend und inspiriert: frisch, aufgeschlossen, unverbraucht und ganz im Sinne des Komponisten.« Und nun ist Pablo Ferrández Partner von Anne-Sophie Mutter bei ihrer zweiten Einspielung des Brahms-Doppelkonzerts (die erste, mit dem Cellisten Antonio Meneses und den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan, entstand 1983).

Anne-Sophie Mutter hat in den letzten Jahrzehnten mit vielen weltweit führenden Cellisten zusammengearbeitet: »Allen voran Mstislaw Rostropowitsch – von ihm habe ich sehr viel gelernt«, sagt sie. »Ich hoffe, dass die junge Generation, allen voran Pablo, in Rostropowitschs Fußstapfen tritt, wenn es darum geht, das Repertoire des Instruments zu erweitern; dem Cello wurde nämlich lange Zeit nicht die gebührende Aufmerksamkeit der Komponisten zuteil. Das hat Rostropowitsch geändert, gefolgt natürlich von Yo-Yo Ma und Lynn Harrell.« Rostropowitsch und Karajan gehörten zu ihren frühen Mentoren. »Jetzt, wo Pablo und ich den Brahms zusammen spielen, freut es mich besonders, nicht nur Musikerin, sondern auch eine Art Mentorin für meinen jungen Kollegen zu sein«, sagt sie. »Außerdem bin ich ein Fan von Pablo.«

Es kommt nicht oft vor, dass ein Konzert auf CD mit einem Kammermusikwerk gekoppelt wird, aber aufgrund der starken persönlichen Bindungen zwischen den beiden Menschen, die sie geschrieben haben, ergeben die Stücke eine ideale Kombination. Für Anne-Sophie Mutter steht fest: »Clara Schumann gehört zu Johannes Brahms, Johannes Brahms gehört zu Clara Schumann.«

Clara Schumann war nicht nur eine legendäre Pianistin, sondern auch eine großartige Komponistin, doch Letzteres hat die Musikwelt lange übersehen. »Sie begann ihre pianistische Laufbahn im Alter von zwölf Jahren, reiste durch Europa und gab rund sechzig Jahre lang Konzerte«, sagt Anne-Sophie Mutter. »Sie begründete die Tradition, auswendig zu spielen. Und sie war die Frau von Robert Schumann. Es war extrem schwierig für sie, sich als Komponistin im Schatten seines Genies zu behaupten; hinzu kommt, dass sie – während sie versuchte, ihre musikalische Karriere am Laufen zu halten – auch noch sieben Kinder zur Welt brachte.«

Im Februar 1854 erlitt Robert Schumann einen völligen Zusammenbruch; als Gründe kommen eine psychische Erkrankung und eine tertiäre Syphilis infrage, vielleicht sogar beides. Nach einem Selbstmordversuch wurde er in eine Anstalt in Endenich bei Bonn eingewiesen, wo er später starb. Clara Schumann musste versuchen, trotz aller Trauer ihre Kinder allein zu versorgen.

Etwa vier Monate vor Robert Schumanns schwerer Krise bekam die Familie unerwartet Besuch – von einem jungen Komponisten aus Hamburg, den ihnen der Geiger Joseph Joachim vorstellte. »Brahms war erst 20, als er Robert und Clara Schumann kennenlernte«, erzählt Anne-Sophie Mutter. »Etwa drei Monate später schrieb er sein erstes Klaviertrio [op. 8]; rund 35 Jahre später überarbeitete er es. Seine Beziehung zu den Schumanns war sehr stark, besonders zu Clara. Man könnte es eine romantische Verbindung nennen, denn man weiß, dass sie einander künstlerisch sehr schätzten und dass Johannes Clara sehr oft um Rat fragte.«

Während Roberts langer Krankheit und nach seinem Tod wurde der junge Brahms zu einer wichtigen Stütze für Clara, sowohl in praktischen Dingen als auch emotional. Seine Briefe an sie offenbaren eine regelrechte Verliebtheit seinerseits, aber es gibt keine Beweise dafür, dass ihre Beziehung darüber hinausging. »Man munkelte, Brahms habe, als sie verwitwet war, darauf gewartet, dass sie den ersten Schritt macht«, sagt Anne-Sophie Mutter. »Ihr letztes Kind, Felix, wurde geboren, als Robert Schumann bereits in der Anstalt war, und Brahms war Taufpate – er behandelte Felix wie einen Sohn. Es lässt sich persönlich und künstlerisch also hinreichend rechtfertigen, Johannes Brahms gleich mitzudenken, wenn man an Clara Schumann denkt – und umgekehrt.« Letztlich bestand zwischen ihnen eine innige, enge Freundschaft, die – mit einigen Höhen und Tiefen – für den Rest ihres Lebens anhielt.

Pablo Ferrández’ Liebe zur Musik Clara Schumanns hat noch einen ganz besonderen Grund: »Ich habe in Clara Schumanns Haus gewohnt«, sagt er. »Als ich studierte, waren meine Förderer auch Eigentümer des Hauses in Frankfurt, in dem sie die letzten 18 Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Irgendwann boten sie mir an, bei ihnen zu wohnen, und so habe ich mich Clara Schumann immer verbunden gefühlt.«

Noch ein weiteres Argument sprach dafür, ihr Klaviertrio aufzunehmen: das noch junge (im Grunde längst überfällige) Interesse des Publikums und der Musikwirtschaft an den Werken von Komponistinnen. »Es ist jetzt an der Zeit, einzusehen, dass das Repertoire deutlich mehr Vielfalt braucht«, sagt Anne-Sophie Mutter. »Nicht zuletzt aus diesem Grund wollten wir das Augenmerk auf Clara Schumanns Trio lenken. Wir fanden die Kopplung mit Brahms absolut naheliegend – ihre menschliche und künstlerische Beziehung ist einfach inspirierend.«

Joachim, Brahms und Clara Schumann wurden zu einem persönlichen wie künstlerischen Dreigestirn, das untereinander Ideen und Ratschläge austauschte – nicht zuletzt bezüglich der Frage, wie mit den von Robert Schumann hinterlassenen unveröffentlichten oder überarbeiteten Musikstücken zu verfahren sei. Joachim freilich war ein notorischer Querkopf, und obwohl er und Brahms seit ihrer Jugend eng befreundet waren, kam es 1883, als Joachims Ehe mit der Sängerin Amalie Schneeweiss zerbrach und Brahms sich auf ihre Seite stellte, zu einem tiefen Zerwürfnis. Das Doppelkonzert von 1887, so Anne-Sophie Mutter, war Ausdruck der lang ersehnten Versöhnung zwischen dem Komponisten und dem Geiger.

»Sie sprachen etwa vier Jahre lang kein Wort miteinander. Dann machte Brahms Urlaub am Thunersee in der Schweiz, wo er einige seiner heitersten Werke schrieb, unter anderem die A-Dur-Violinsonate. Anschließend schickte er Joachim einen Brief, in dem er ihm mitteilte, dass er das Doppelkonzert schreibe. Es war sein letztes Orchesterwerk, und man kann das Versöhnliche darin spüren, sei es in den heroischen Aufschwüngen oder in der Zartheit eines mit dolce bezeichneten Pianissimo. Mit ziemlicher Gewissheit hat das Stück die beiden wieder zusammengebracht, und deswegen ist es nicht nur für das Repertoire, sondern auch für das Leben dieser beiden großen Musiker von immenser Bedeutung.«

Clara Schumanns Klaviertrio ist ein Meilenstein ganz anderer Art. Es gehört zu ihren besten Werken und entstand 1846, als die Familie Schumann nach ihrem Umzug nach Dresden schwierige Zeiten mit einem ganzen Haufen persönlicher Probleme durchlebte. Claras musikalisches Idiom ist sehr charakteristisch und hat interessanterweise wenig mit Brahms oder Robert Schumann gemein: »Mich erinnert es eher an Mendelssohn«, meint Pablo Ferrández.

»Lambert Orkis, mein wunderbarer Klavierpartner, der seit mehr als drei Jahrzehnten mit mir zusammenspielt, meinte, die Faktur sei überhaupt nicht pianistisch«, erzählt Anne-Sophie Mutter. »Er spielt es fantastisch, meinte aber auch, es sei nicht gerade einfach. Nach meinem Empfinden spricht aus dieser Musik viel innere Unerfülltheit. Wenn ich mir vor Augen führe, dass sie in dieser Zeit vermutlich eine Fehlgeburt hatte und dass ihr Mann an einer schweren, bis an Selbstmord heranreichenden Depression litt, finde ich es sogar sehr beunruhigend, ein höchst komplexes Stück.«

Seit Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis das Trio zuletzt spielten, ist viel Zeit vergangen, und ihre Interpretation hat sich deutlich weiterentwickelt. »Als wir die Aufnahme vorbereiteten, waren wir in der komfortablen Situation, das Stück ausgiebig geprobt und im Konzert gespielt zu haben; vieles hatten wir schon ausprobieren können«, sagt Anne-Sophie Mutter. »Wir mussten sehr intensiv recherchieren und auf der Bühne immer mutiger experimentieren, um eine gemeinsame Richtung zu finden. Das war ein sehr spannender Prozess, denn ich habe das Trio schon vor vielen Jahren mit Lambert gespielt, und damals wählten wir ganz andere Tempi. Diesmal sind wir zu einem musikalischen Ergebnis gekommen, das sich deutlich von dem früheren unterscheidet.«

»Wir haben viel an den Tempi gearbeitet, weil wir das Gefühl hatten, das Stück wurde nicht nur zu wenig gespielt, sondern auch zu wenig erforscht. Zuvor hatte ich den Eindruck, dass alle zu den gleichen musikalischen Schlussfolgerungen gelangt waren. Mahler hat einmal gesagt: ›Tradition ist Schlamperei‹, und wir drei haben ganz bewusst nach musikalischen Lösungen gesucht, die, wie wir hoffen, überzeugend oder zumindest frisch und sehr gut recherchiert sind. Deswegen überrascht es kaum, dass wir auf völlig andere Tempi gekommen sind.«

Das Trio wurde in einem Tonstudio in Anne-Sophie Mutters Heimatstadt München eingespielt. Das Brahms-Doppelkonzert hingegen ist eine Live-Aufnahme, entstanden während einer Reihe von Aufführungen in Prag mit der Tschechischen Philharmonie unter dem Dirigenten Manfred Honeck.

Hier wie dort war die Zusammenarbeit für Pablo Ferrández eine Quelle kontinuierlicher Inspiration. »Anne-Sophie Mutter ist die ideale Künstlerin. Ihr Spiel ist immer getragen von einem tiefen Verständnis und einer bestimmten Idee, nichts geschieht zufällig – für mich eine starke Motivation, ihr nachzueifern. Dass ich sie kenne und sie als meine Mentorin betrachten darf, ist schon eine große Ehre – und erst recht, mit ihr zusammen zu spielen und Aufnahmen zu machen!«

Anne-Sophie Mutter ihrerseits meint: »Mit Pablo in einem solchen musikalischen Dialog zu stehen, finde ich inspirierend. Möge das Leben ihm alles Glück und alle Neugier bescheren! Und ich bin überzeugt, dass eine blendende Zukunft vor ihm liegt.“

Text: Jessica Duchen
Übersetzung: Stefan Lerche

C. Schumann: Piano Trio in G Minor, Op. 17: III. Andante

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