Keble College 2015 Ernennung zum Honorary Fellow des Keble College

Dankesworte

Meine sehr verehrten Sir Jonathan und Lady Philips, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

als ich vor fast vier Jahrzehnten erstmals mit Herbert von Karajan konzertieren durfte, wagte ich noch nicht einmal davon zu träumen, jemals eine so enge Beziehung zu Oxford erleben zu dürfen. Aber schon wenige Jahre nach meinem Debüt bei den Salzburger Osterfestspielen im Jahr 1977 nahm dieser Traum erste konkrete Formen an: 1983 gastierte ich erstmals in Oxford – auch dieses Konzert leitete Maestro von Karajan – und kurz danach ernannte mich die Mozart-Gesellschaft der Universität Oxford zu ihrer Ehrenpräsidentin.

Und nun haben Sie mich, sehr verehrte Damen und Herren, in den erlauchten Kreis der Honorary Fellows des Keble College aufgenommen: Ich danke Ihnen von Herzen für diese große Ehre – mit der Sie mich sehr glücklich machen. Denn mit dieser Auszeichnung – und als solche verstehe ich den heutigen Tag – unterstreichen Sie zugleich, welch wichtige Rolle das Keble College der Musik beimisst. Das zeigt sich auch daran, dass die Colleges der Oxford University in der Vergangenheit immer wieder herausragende Musiker zu Honorary Fellows ernannt haben, wie beispielsweise den von mir hoch geschätzten Geigen-Kollegen Maxim Vengerov, den großartigen Pianisten Alfred Brendel oder den Dirigenten Marios Papadopoulos. Und ganz besonders freue ich mich darüber, dass die von mir über alle Maßen verehrten Schriftsteller Oscar Wilde und Thomas Stears Eliot auch zu diesem illustren Kreis gehören.

Bereits bei meinem ersten Gastspiel mit dem Oxford Philharmonic Orchestra im Oktober 2014 und der damaligen Meisterklasse hat mich die Arbeit mit den Studenten der Faculty of Music of the University hellauf begeistert. Denn: Die Studenten genießen hier eine exzellente Ausbildung – wofür ich Sie, verehrte Verantwortlichen der Universität, ganz herzlich beglückwünsche. Es erfüllt mich deshalb auch mit Stolz, dass ich jetzt erneut mit ehemaligen und aktuellen Studenten der Oxford University zusammen arbeiten konnte.

Meine Vision ist dabei die gleiche, wie ich sie auch bei der Förderarbeit meiner Stiftung oder mit meinem Ensemble „Mutter’s Virtuosi“ verfolge: Ich versuche, Botschafter der Musik in die Welt hinaus zu senden, weil Musik weit mehr ist als nur ein Zeitvertreib oder ein Hobby. Denn Musik bietet uns die Chance, die Welt im Miteinander zum positiven zu verändern. Viel stärker noch, als das bislang versucht wurde.

Mit den barbarischen Terroranschlägen vor 10 Tagen in Paris hat diese Vision erneut eine schreckliche Aktualität erfahren. Natürlich bin ich mir bewusst, dass der sogenannte Islamische Staat und andere Terroristen nicht mit Botschaftern der Musik bekämpft werden können – ihr Zuwachs an Sympathisanten und Anhängern, von denen einige dann zu Mördern werden, aber ganz gewiss. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Denn Musik baut nicht nur metaphysische Brücken zwischen den Menschen – sie ist auch frei jeglicher Ideologie. Erinnert sei beispielhaft nur an die gesellschaftliche und politische Strahlkraft des West-Östlichen-Divan-Orchesters sowie an die unzähligen Benefiz-Engagements, mit denen Musiker weltweit das Leben umarmen.

Bei der Arbeit meiner Stiftung versuche ich, junge Musiker heranzuziehen, die Musik als Lebensaufgabe begreifen. Um Musik als Lebensaufgabe zu bewältigen, reicht es bei Weiten nicht aus, auf seinem Instrument gut geschult zu sein, immer fleißig zu üben und fehlerfreie Konzerte zu spielen – aber ansonsten mit Scheuklappen die Welt an sich vorbeiziehen zu lassen. Dieser ausschließliche Fokus auf das Musizieren lässt wesentliche Bereiche unserer kulturellen Wurzeln und unseres kulturellen Reichtums unbeachtet.

Musik als Lebensaufgabe bedeutet nicht, Stars zu kreieren. Vielmehr geht es darum, Künstler auszubilden, die unvergessliche neue und spannende Interpretationen von Musik erschaffen, die man eigentlich schon seit langem zu kennen glaubte.

Musik als Lebensaufgabe bedeutet deshalb auch, eine starke eigene Persönlichkeit zu entwickeln, die künstlerische Integrität über den bloßen Wunsch nach Geld und Ruhm stellt. Ein Musiker sollte nur das tun, was er für künstlerisch richtig hält – womit er Spuren für die nächste Generation hinterlassen kann.

Sicherlich konnte man sich auch schon vor 100 Jahren verlieren und von seinem künstlerischen Weg abkommen, nur scheint es heutzutage fast schon zum guten Ton zu gehören, eine Werbefigur sein zu wollen – neben einem Job als Musiker. Natürlich sehe ich, dass der unbarmherzige Fokus, den Massenmedien heute auf junge Musiker richten, diesen Drang noch unterstützt. Aber ich bin immer noch der altmodischen und optimistischen Meinung, dass sich – langfristig betrachtet – die Qualität immer durchsetzen wird.

Zu meinem Idealbild des Musikers gehört noch ein weiterer, nicht weniger wichtiger Aspekt: Das Glück, helfen zu können – den Sinn des Lebens im Tun mit und für den Anderen zu finden.

Ich empfinde es als ein riesiges Geschenk meines Lebens, dass ich mit meiner Musik beispielsweise behinderte Menschen unterstützen oder Waisenhäuser bauen kann. Die Benefizkonzerte gehören zum Sinnvollsten in meinem Leben. Ich will Ihnen das anhand der beiden Waisenhäuser in Weißrußland und Rumänien erläutern, die ich seit Jahren unterstütze. Ich kenne die Kinder teilweise persönlich, über die Jahre sind Beziehungen entstanden: Es ist wunderbar, zu sehen, wie sie zu begeisterten, lebensfrohen lebenstüchtigen jungen Menschen heranwachsen. Sie haben in diesen Heimen ein Dach gefunden, sie bekommen eine Ausbildung, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können.

Diese Verantwortung für den Anderen ist auch ein elementarer Bestandteil meiner Förderung junger Musiker, damit sie von Anbeginn ganz klar verstehen: Ihre Musik ist Klang gewordene Liebe.

Musik ist nichts Greifbares, Messbares, und doch bereichert sie uns, macht uns alle, ob Interpret oder Musikliebhaber, zu Weltenbürgern einer Sprache: Jeder Mensch versteht auf seine Weise, was Noten ausdrücken. Musik macht durchlässiger und sensibler für den Anderen.

Musiker erfahren dies von Kindesbeinen an. Denn die Kunst, Musik zu machen, besteht darin, zu spielen und gleichzeitig dem anderen zuzuhören. Das bereichert den einzelnen genauso wie das Kollektiv. Nicht nur das eigene Spiel gewinnt dadurch an Ausdruckskraft, auch der Zusammenklang mit den anderen steigert seine Wirkung.

Diese Worte erklären nicht nur, wie ein gutes Orchester funktioniert. Sie weisen auch für uns alle den Weg, den anderen als Teil seiner Selbst wahr zu nehmen. Nie war das dringender notwendig als heute – in einer Zeit, in der die Menschen weltumspannend zusammen gerückt sind. In einer Zeit, wo scheinbar fern liegende Brandherde ihre grauenhafte, unmenschliche Wirkung ganz direkt bei uns vor Ort entfalten. Nie waren wir mehr darauf angewiesen, einander zu respektieren und einander mit tiefem Verständnis zu begegnen. Die Musik schafft dafür das einende Rahmenwerk!

Ich danke Ihnen nochmals für die große Ehre, die Sie mir zuteil werden lassen!

Anne-Sophie Mutter

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