Ein Resümee des 20. Jahrhunderts – 2000 Back to the Future

Witold Lutoslawski

geboren: 25. Januar 1913 in Warschau, Polen gestorben: 7. Februar 1994, ebd.

Lutoslawski, 1913 in Warschau geboren, studierte einige Semester Mathematik an der Warschauer Universität und erhielt zugleich eine gründliche musikalische Ausbildung (Klavier, Violine, Komposition) am Warschauer Konservatorium, wo Witold Maliszewski, ein Schüler Rimsky-Korsakows, zu seinen wichtigsten Mentoren gehörte. In den dreißiger und vierziger Jahren betätigte sich Lutoslawski vornehmlich als Pianist, nach dem Krieg arbeitete er eine Zeitlang in der Musikabteilung des Warschauer Rundfunks und trat ab 1952 zunehmend auch als Dirigent in eigener Sache hervor. Er unterrichtete als Gastprofessor für Komposition in den USA, in Schweden, Dänemark und der BRD, war langjähriges Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik und gehörte der Programmkommission des international so bedeutenden Avantgardefestivals "Warschauer Herbst" seit seiner Gründung 1956 an.

Der politische Umschwung von 1956, der zur Formierung einer eigenständigen neuen Kunst in Polen gewissermaßen den Auftakt gab, markierte auch in Lutoslawskis Wirken eine deutliche Zäsur. Nach folkloristischen und neoklassischen Anfängen, nach erzwungener "Umweg- und Ausweichproduktion" während der Okkupationszeit, der Kriegsjahre, der Stalinära, fühlte sich der Komponist erstmals frei, eine ganz den eigenen Vorstellungen, Wünschen, Sehnsüchten und Ambitionen folgende Musik zu schreiben.

Seit Ende der fünfziger Jahre wird Witold Lutoslawski als Exponent der polnischen wie der europäischen Avantgarde gefeiert und gilt zugleich schon lange als ein "Klassiker der Moderne".

Chain II Der Titel "Chain" (Kette) beschreibt ein Kompositionsprinzip, das Lutoslawski in den Achtziger Jahren gefunden hat:

"Während der letzten Jahre habe ich an einer neuen Art der musikalischen Form gearbeitet, die sich aus zwei von der Struktur her unabhängigen Schichten zusammensetzt. Teile innerhalb der Schichten beginnen und enden zu verschiedenen Zeiten. Von daher ist die Wahl des Begriffs Kette zu verstehen."

Es ist dies eine Technik, die unterschiedlich geformte Abschnitte im Geigen- und Orchesterpart im Fall der Chain II ineinander greifen lässt. Dieser Dialog für Violine und Orchester ist ein Auftragswerk Paul Sachers, der mit mir zusammen 1986 am 31. Januar in Zürich die Uraufführung am Pult geleitet hat. Das viersätzige Werk beginnt mit einem Ad libitum-Abschnitt. Fast einer kleinen Kadenz gleich, beginnt die Geige allein. Der zweite Abschnitt A battuta ist in Form einer Toccata ein heftiger Gegensatz zu dem eher lyrischen Beginn. Besonders berührend für mich, hier das verhauchende Ende, das mich immer wieder an eine Passage aus Don Quixote von Richard Strauß erinnert, nämlich Don Quixotes Tod.

Wunderbar der langsame Ad libitum-Teil, in dem die Geige sich aussingen kann. Auch hier wird deutlich, dass dem Interpreten eine gewisse zeitliche Freiheit gegeben wird. Entscheidet doch Dirigent und Solist ganz für sich allein, wann ein neuer Abschnitt beginnen soll. Der vierte Satz hat Finalcharakter. Er endet nach einem kurzen Ad libitum in einem furiosen Finale.

Witold Lutoslawski zu Chain II: »Die erste Fassung der Partita für Violine und Klavier komponierte ich als Auftragswerk des St. Paul Chamber Orchestra für Pinchas Zukerman und Marc Neikrug. Sie wurde von diesen beiden Künstlern im Januar 1985 in St. Paul in einem Konzert mit Werken von mir, die ich auch dirigierte, uraufgeführt.

Die neue Fassung für Violine und Orchester (und obligates Klavier), die in dieser Einspielung vorgelegt wird, wurde ausdrücklich für Anne-Sophie Mutter geschrieben und ist ihr auch gewidmet. Die Idee zu dieser Neufassung entstand durch den sehr starken Eindruck, den Anne-Sophie Mutters Aufführungen meiner Chain II auf mich gemacht haben. Ihr außergewöhnliches Können hat meine kompositorische Arbeit wahrhaft inspiriert, und ich hoffe, noch mehr für sie schreiben zu können.«

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