Es gibt keine Musik von einer solchen Intimität und keine, die so viel Spontaneität erlaubt und Reaktionsfähigkeit benötigt.« Und Daniil Trifonov ergänzt: „Für den Pianisten erfordert und ermöglicht sie eine unendliche Palette an Klangfarben: Weichheit und Attacke, das Vermeiden klanglicher Schärfen, das Verschmelzen mit den Streichern. Und jede Lösung, die man findet, eröffnet neue Perspektiven."
Schuberts »Forellenquintett« gehört mit seiner ungewöhnlichen Besetzung und Unbeschwertheit zum Schönsten, was er uns in der Kammermusik hinterlassen hat. Gewiss sollte man vorsichtig sein mit unreflektierten Bezügen zwischen biographischer Situation und den in dieser Zeit entstandenen Werken. Doch bei Schuberts »Forellenquintett« drängt sich die Verbindung auf. Auch wenn er es erst im Herbst 1819 in Wien vollendete, ist es doch die Frucht eines offensichtlich völlig unbeschwerten Urlaubs, den der 22-jährige im Sommer des Jahres in Steyr verlebte, gemeinsam mit dem Sänger Johann Michael Vogl, der zu seinen engsten Freunden gehörte und aus diesem Ort stammte. Brieflich schwärmte Schubert von der unfassbar schönen Landschaft und acht reizenden jungen Damen – »beinahe alle hübsch« – in seiner unmittelbaren Umgebung. Die Hausmusiken bei dem begeisterten Amateurcellisten Sylvester Paumgartner im Kreis guter Freunde brachten ihm Aufmerksamkeit und Anerkennung. Und schließlich erteilte Paumgartner ihm noch den Auftrag, ein Quintett zu schreiben, und zwar mit der Besetzung des Klavierquintetts op. 87 von Johann Nepomuk Hummel, also ohne zweite Geige, aber mit Kontrabass. Den Wunsch seines Förderers, darin das von ihm besonders geliebte Lied Die Forelle zu verarbeiten, erfüllte Schubert mit dem an vierter Stelle eingeschobenen Andantino, einem Variationensatz, der die ungewöhnliche Fünfsätzigkeit ebenso erklärt wie den Beinamen des Quintetts.
Ungeachtet einiger Moll-Eintrübungen ist kein zweites Kammermusikwerk Schuberts von so viel Licht und derart unbeschwert heiterer Melodik erfüllt, keines versprüht einen so unmittelbaren Charme. Für Anne-Sophie Mutter kann diese Forelle denn auch »nicht vor Jahrhunderten gestorben sein. Sie ist schnell wie ein Pfeil, lebhaft und wach. Den Teil des Liedes, in dem sie getötet wird, spart Schubert ja ausdrücklich aus.« Auch für Daniil Trifonov steckt unglaublich viel Energie in diesem Werk, bei aller Heiterkeit finden sich auch Facetten der Unruhe bis hin zu heftigen Ausbrüchen: »In den Noten stehen so viele Akzente, Sforzandi, extreme dynamische Vorzeichen. Am häufigsten schreibt Schubert fortepiano vor. Und oft ist der Klang aufgehellt bis zur Schärfe.« Für Trifonov gehören Schuberts Werke generell zum Bedeutendsten in der Musikliteratur überhaupt: »Sie sind so rein, so einfach in ihrer Struktur und so aufrichtig im Ausdruck. Und auch wenn das in den späten Klaviersonaten noch viel extremer ist, schon hier denkt Schubert in langen Phrasen, in scheinbar unendlichen Entwicklungslinien, die man zusammenhalten muss.«
Dieser Aspekt gilt auch für das Notturno D 897, das irgendwann um 1827 im Umfeld der späten Klaviertrios entstand, möglicherweise als verworfener langsamer Satz des B-Dur-Trios D 898. Die Literatur ging wenig gnädig mit ihm um, Alfred Einstein etwa hörte eine »seltsame Leere«, was gar nicht so falsch wäre, hätte er es nicht als Wertung gemeint. Daniil Trifonov beeindruckt gerade diese Atmosphäre: »Die Art, wie Schubert mit Klängen in den ganz hohen Registern des Klaviers experimentierte, das ist in vieler Hinsicht ein akustisches Abenteuer in einer Zeit, die einen derart avancierten Gebrauch des Pedals noch kaum kannte. Con pedale schreibt er ausdrücklich vor, und nicht nur durch die Arpeggien weist das Ganze irgendwie schon auf den Impressionismus voraus.« Die streckenweise extreme Klangwelt, diese klangliche Kühnheit hört auch Anne-Sophie Mutter: »Genau deshalb haben wir uns entschlossen, ganz aufs Vibrato zu verzichten, wenn das Thema am Ende zu den Harfenarpeggien im Klavier wiederkehrt. Das verleiht dem Ganzen eine Ruhe, als würde man auf das endlose Meer hinausblicken.«
Die beiden Schubert-Arrangements von Jascha Heifetz und Mischa Elman haben Anne-Sophie Mutter und Daniil Trifonov ein wenig »re-arrangiert«. Heifetz nahm das Ave Maria 1917 in sein Repertoire auf und spielte es bis 1950 nicht weniger als 211 Mal. Für Anne-Sophie Mutter ist es »ein großes Arrangement, das ich seit einigen Jahren in meine Zugaben aufgenommen habe«. Wie sie überhaupt der Überzeugung ist, man solle diese kurzen Stücke nicht geringschätzen: »Es ist eine ganz eigene Literatur mit einem ganz besonderen Stil. Das schöne Arrangement des Ständchens etwa bringt doch wunderbar die Einsamkeit, Dunkelheit und Melancholie zum Ausdruck, die über dem Lied liegen. Auch wenn Daniil, Franz Liszt und ich den Arrangeuren ein bisschen geholfen haben, um die Originale noch etwas besser durchscheinen zu lassen.«
Oswald Beaujean, September 2017